Gelassen bleiben, in schwierigen Zeiten

Klimawandel, Pandemie, Lieferengpässe, steigende Lebenshaltungskosten bei immer unsichereren Arbeitsplätzen: Die Zukunft der Welt und auch die des persönlichen Lebens ist unsicher. Aber können wir lernen, die Ungewissheit zumindest ein bisschen besser, zu tolerieren?

Verunsicherung kann man sich wie ein mehrstöckiges Haus vorstellen. Wenn wir spät abends zum zehnten Mal den Vortrag für den nächsten Tag durchgehen, weil wir uns vergewissern wollen, dass wir nicht scheitern werden, ist die Unsicherheit wegen der Präsentation nur das oberste Stockwerk. Eine relativ banale Alltagsunsicherheit. In der unteren, schwerer zugänglichen Etagen sitzen die Themen, die uns dauerhaft verunsichern: Unser Unbewusstes mit seinen still arbeitenden, ungelösten seelischen Konflikten und existenziellen Themen, wie die Angst vor dem Tod zum Beispiel. 

Was kann uns also helfen, unser mentales Gebäude weniger anfällig für Erschütterungen zu machen. Hier ein paar kleine Anregungen.

Den Fokus verkleinern

Die Vielzahl von Informationen, die uns heute zur Verfügung steht, ist bekanntermaßen Fluch und Seegen zugleich. Wenn es aber speziell um die Erhaltung oder Verbesserung des eigenen seelischen Gleichgewichts geht, kann es helfen sich bewusst zu machen, dass nicht jede Information notwendig und schon gar nicht hilfreich ist. Im Grunde verfolgt die Achtsamkeitsbewegung ein ganz ähnliches Ziel, nämlich die Fokussierung auf das Hier und Jetzt. Es ist nicht zwingend notwendig, über jedes Unglück der Welt gut oder in dem Fall wohl schlecht, informiert zu sein.

Wir sind nicht gekommen, um zu bleiben

Das „Sterblichkeitsparadoxon“ beschreibt die alltägliche Erfahrung, dass viele Menschen so leben, als würden sie nicht sterben, obwohl natürlich jeder weiß, dass er sterben wird. Aber es wird verdrängt. Einige Psychologen behaupten sogar, dass jede Angsterkrankung ihrem Ursprung in der Angst vor dem Tod hat. Deshalb kann es manchmal hilfreich sein, sich seiner eigenen Endlichkeit bewusst zu werden und diese Erkenntnis zu integrieren. Wir sind nicht gekommen, um zu bleiben. Um es mit den Worten von Anthony Hopkins zu sagen:

“Keiner von uns kommt lebend hier raus. Also hört auf, euch wie ein Andenken zu behandeln. Esst leckeres Essen. Spaziert in der Sonne. Springt ins Meer. Sagt die Wahrheit und tragt euer Herz auf der Zunge. Seid albern. Seid freundlich. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit.”

Erhöhung der Anpassungsfähigkeit

Viele psychologischen Ratgeber sprechen heute von Resilienz. Dabei denke ich, dass vielmehr Adaptabilität und Anti-Fragilität - die Fähigkeit, durch Krisen stärker zu werden - der Kernfaktor ist, um mentale menschliche Krisen zu meistern. Das beweist die freie Wirtschaft ebenso wie biologischen Organismen. Die Fähigkeit, sich an äußere Begebenheiten anzupassen und schnell neue Perspektiven und Handlungsoptionen oder alternativ Ressourcen abrufen zu können, ist eine entscheidende Schlüsselqualifikation, wenn es um das erfolgreiche Fortbestehen geht. Der psychologische Begriff hierfür ist kognitive Flexibilität. Also die Fähigkeit des Gehirns, das Verhalten und Gedanken an neue, sich verändernde oder unerwartete Ereignisse anzupassen. Die kognitive Flexibilität beschreibt die Fähigkeit, zu erkennen, dass eine Handlungsstrategie nicht funktioniert und entsprechende Veränderungen vorzunehmen, um sich an die Situation anzupassen. Es erfordert einfach sehr viel kostbare Energie, wenn man langfristig versucht, äußere Begebenheiten zu verändern, die sich nicht verändern lassen wollen.

Erhaltung der Handlungsfähigkeit

Was Menschen verbindet, die sich in einer mentalen Krise befinden, ist fast immer das Gefühl von Handlungsunfähigkeit, ob es sich dabei um den verlorenen Job, die gescheiterte Beziehung oder eine klinisch depressive Episode handelt. Wenn man die Beschwerden auf den kleinsten gemeinsamen Kern zusammenführen müsste, dann ist das meiner Meinung nach das Empfinden der subjektiven Handlungsunfähigkeit. Bei der depressiven Episode kann dieses Gefühl sogar Auslöser und Konsequenz gleichermaßen sein.

Hier kann ein Perspektivwechsel helfen, auch wenn dieser manchmal schwerfällt. Es geht darum, Verbesserungsoptionen, Handlungsmöglichkeiten und Alternativen in Erwägung zu ziehen, die häufig vorschnell aussortiert werden. Die Erfahrung, dass eine vorher undenkbare Lösung am Ende Erfolgreich war, ist unglaublich heilsam und motivierend.

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Ein Gedankenexperiment zum Nachmachen